Der aktuelle Fund: Votivgaben auf dem Ammertenhorn

Ende 2020 meldete ein Wanderer dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern (ADB) den Fund von 13 Münzen. Er hatte sie während einer Trekkingtour in den Berner Alpen auf dem Ammertenhorn in fast 2600 m Höhe auf einem Hochplateau am Fuss des Wildstrubelmassivs entdeckt.
Die Untersuchung der Fundstelle durch den ADB (Prospektion 2021 und kleine Grabung 2022) erbrachte 100 römische Münzen, 27 Bergkristallstücke, Schuhnägel aus römischer Zeit, eine latènezeitliche Fibel sowie eine bronzene Votivtafel in Form eines Blattes. Archäologische Strukturen konnten durch die Grabung hingegen nicht aufgedeckt werden.
Durch die Zusammensetzung und die Art der gefundenen Objekte deutet sich eine rituelle Funktion des Platzes an. Eine 1926 in Tempel 6 von Thun-Allmendingen entdeckte Inschrift belegt, dass die Alpen in römischer Zeit von der lokalen Bevölkerung als Gottheit verehrt wurden. Von diesem Heiligtum war der Platz am Ammertenhorn über die Täler von Kander und Entschlige in recht kurzer Zeit zu erreichen.
Der Vergleich der Münzen vom Ammertenhorn mit der 2006 publizierten Münzreihe aus Tempel 6 von Thun-Allmendingen zeigt, dass die kontinuierliche Nutzung beider Orte bereits im ersten Viertel des 1. Jahrhunderts begann. Den grössten Anteil bilden indes in beiden Spektren die Münzen des zweiten Viertels des 3. Jahrhunderts, namentlich der Kaiser Gallienus (268–270), Claudius II. Gothicus (268–270) und Aurelianus (270–275). Es sind aber auch deutliche Unterschiede festzustellen, insbesondere für das 4. Jahrhundert. Denn während das Münzopfer in Allmendingen ab constantinischer Zeit (306–361) nachlässt, wird es am Ammertenhorn kontinuierlich bis zum Ende des Jahrhunderts und wahrscheinlich darüber hinaus geübt, was sich besonders im Vorkommen zahlreicher Münzen aus theodosischer Zeit (378–402) zeigt. Nichtsdestotrotz belegen andere Materialkategorien, dass Tempel 6 bis zum Ende des vierten, vielleicht sogar bis zum Anfang des fünften Jahrhunderts genutzt wurde.
Die Funde vom Ammertenhorn zeigen, dass die Helvetier auch nach der römischen Eroberung ihre eigene, von der lokalen Landschaft geprägte Religiosität beibehielten und die alpinen Gottheiten nicht nur am Tor zu den Alpen verehrt wurden, sondern auch in den Bergen.
Die aussergewöhnlichen Funde vom Ammertenhorn sind derzeit in der Ausstellung «Archäologie Aktuell. Berner Funde frisch aus dem Boden» im Bernischen Historischen Museum noch bis September 2023 zu sehen.
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